(anstelle einer Vogelperspektive #12, die ohne Corona längst da wäre)

Den Meistertitel auf 10 Jahre aussetzen?

Die Corona-Pandemie macht dem angeschlagenen Hockeybusiness zu schaffen, die aktuellen Reformideen entsprechen einer gehetzten Stimmung der meinungsstarken Verbandsakteuren. Wir hätten auch ganz gute Ideen, wie der Preistreiberei beizukommen wäre, und schauen bei dieser Gelegenheit kurz in die jüngere Vergangenheit.

Bittere Erinnerungen sind für uns Klotener Fans mit dem Frühjahr 2018 verbunden. Als der Rapperswiler Jan Mosimann im siebten Spiel der Ligaqualifikation im Schluefweg den Siegtreffer für seine Farben erzielte, schien die Zeit stillzustehen. Denn der erste Abstieg seit 1962 lag damit in trockenen Tüchern. Was als unmöglich galt, nämlich dass der dienstälteste NLA-Club der Schweiz absteigen sollte, war somit besiegelt. Der EHC Kloten mit seinem relativ talentierten Kader und beachtlichem Budget musste sich also in die Swissleague verabschieden. Ausgerechnet dieses Rapperswil, als Aussenseiter und finanziell deutlich weniger potent gestartet, stieg auf. Es gibt wenig blödere Szenarien, die man sich ausmalen könnte. Vielleicht noch jenes von 2014. Aber das ist eine andere Geschichte.

Emotionalität des Moments

Es war dies trotz alledem ein Augenblick stärkster Emotionen, wie sie nur der Sport schreiben kann. Den neutralen Zuschauenden – und das dürften nicht allzu viele gewesen sein – durfte vor allem eine packende und hochinteressante Serie in Erinnerung bleiben. Wir Klotener wähnten uns dabei natürlich einmal mehr auf der falschen Seite – doch Sieg und Niederlage liegen im Eishockey oft nahe beieinander und manchmal hat man gar jahrelang kein Glück. Das alles ändert nichts an der Emotionalität des Moments. Es ist vor allem jene Emotionalität, die uns Woche für Woche an den EHC Kloten bindet. Dass die Fans (auch wir, jene des damaligen Absteigers), die gerne als Sicherheitsrisiko gesehen werden, heute also die sportliche Ambition gegen die Planungssicherheit der Vereine in Stellung bringen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Hätten wir uns doch zu gerne diesem Abstieg mit allen Mitteln verwehrt. Heute wissen wir die Swissleague und die darin weitverbreitete Hockeykultur und Bodenständigkeit zu schätzen – und wir dürfen darin gar eine anspruchsvolle sportliche Ambition hegen.

Sportliche Ambition auf dem Altar des Monetären

Der EHC Kloten durfte in den vergangenen dreissig Jahren an allen möglichen Wettkämpfen teilnehmen, die der hiesige Eishockeysport zu bieten hat: Am Rennen um den Meistertitel, um den Cupsieg, um die Playoffs, gegen die Ligaqualifikation, gegen den Abstieg, für den Qualifikationssieg (NLA und NLB) oder für den Aufstieg in die Nationalleague. Das hat das Bewusstsein für die ganze Palette beider Ligen und ihre Vielfältigkeiten geschärft: Jeder Club der dem EHC begegnete, hatte eigene sportliche Zielsetzungen. Am Ende einer Saison werden diese freudig erfüllt oder bitter enttäuscht. Wer behauptet, die sportliche Möglichkeit des Auf- /Abstieges sollte zugunsten finanzieller Planbarkeit und gegen die Preistreiberei ausgesetzt werden, liegt falsch. Besser wäre in diesem Fall, den Meistertitel für einige Jahre ruhen zu lassen, denn die Favoriten auf den Titel geben das Geld mit beiden Händen aus und erzeugen damit erst einen Preiskampf. Wir wissen es am besten, der EHC Kloten gehörte einst zu den grössten Preistreibern dieser absurden Liga.

Anders stellte sich ein Langnau oder ein Ambri an: Sie lebten seit Jahren davon, nicht abzusteigen. Ihre sportliche Ambition bestand kurzfristig darin, dem Abstiegskampf zu entgehen und langfristig in der Perspektive, einst um die Playoffs zu kämpfen. Das mobilisierte die Massen und weckte genauso Begeisterung wie die erstmalige Playoffqualifikation von Biel oder die Cupsiege von Kloten, Rapperswil oder Ajoie. Der Cupfinal und der Abstiegskampf Klotens bescherte je einen ausverkauften Schluefweg. Gänzlich ausverkauft, das gabs vor- und nachher nur selten. Wer die Ambitionen der vermeintlich Kleinen nicht ernst nimmt und gar abschaffen will, verachtet letztlich den Sport als Ganzes und muss nie wieder mit dem Finger auf «Chaoten» zeigen.

Der EHC Kloten spielt eine Rolle

Ein Blick in die letzten Jahre könnte für geneigte Fans zu einer gewagten Fragestellung führen: Stellt der EHC Kloten das Schweizer Eishockey im Kleinen dar? Man könnte es meinen. Der EHC Kloten repräsentiert Stadt und Land, er verfügt über Traditionsbewusstsein und gab Geld aus, das nicht vorhanden war. Er verfügt über Hockeybegeisterung und Verankerung. Er änderte Besitzer und Strategien fast jährlich und kämpfte in gleichen Zeitabständen um seine Identität. Er balgte sich mit seiner Fanszene und anderen Akteuren um die richtige Linie der Vereinspolitik. Er kaufte sich bei den Grossen ein und wirtschaftete sich zu Grunde. Einst änderte er gar Name und Logo, um vermeintlich modern durch die Stadien zu ziehen. Er kämpfte um den Titel und gegen den Abstieg. Er förderte Junioren und kaufte alte Säcke; zuletzt war es ihm vergönnt, ein Gleichgewicht zu finden. Wir müssen es also wissen.

Vielleicht kann sich der Verband (oder die Verbände? Wir haben die Übersicht schon lange verloren) am heutigen EHC Kloten ein Beispiel nehmen und sich hierbei überlegen, was die Basis dieses Sports und seiner Faszination eigentlich genau ausmacht. Denn der EHC Kloten kommt heute endlich geerdeter daher, als er es einst war. Vielleicht würde es auch den Meinungsmachern der Nationalleague guttun, Eishockeykultur von nahe zu betrachten anstatt ohne Rücksicht auf Verluste den eigenen Partikularinteressen hinterherzurennen – und gleichzeitig öffentliche Gelder zu beantragen.

Und was jetzt mit dem Aufstieg?

Fortan sollte es also nicht nur möglich sein, das Nationalleague-Kader mit einer Vielzahl teurer und hochkarätiger Spieler aus anderen Ligen zu bestücken – was paradoxerweise gegen die heute schon bestehende Preistreiberei helfen sollte. Nein, die Ligazugehörigkeit sollte nur noch durch die finanziellen Möglichkeiten determiniert werden. Hinter den beiden unterschiedlichen Ideen steht die gleiche Triebfeder: Zugunsten der finanziellen Planbarkeit soll jegliches sportliche Risiko ausgeschlossen werden. Dabei lebt das Eishockey seit jeher von der Gefahr aufs Maul zu fallen, wie jeder Knirps früh lernen muss.

Dass Kloten heute zu den designierten Anwärtern eines solchen monetären «Nadelöhrs» gehört, ist uns bewusst. Das macht die Sache aber eher schlimmer als besser. Der Grund dafür ist klar: Wir wollen dereinst zusammen den sportlichen Aufstieg feiern. Ein Einkauf als Statist in eine zusehends seelenlose Liga würde den Club, der heute so viele Saisonkarten aufgrund sportlicher Ambition verkauft, auf dieser Ebene nicht weiterhelfen. Wir wollen, dass der sportliche Aufstieg stets allen möglich ist, die ihn sich sportlich verdienen. Zu Eishockey gehören Ambitionen und Emotionen. Leider auch enttäuschte und solche wie im Frühling 2018. Der Eishockeysport lebt davon, dass nicht alles am Reisbrett kalkulierbar ist.

Kategorien: Info